schachtelsätze tiefschlaf

Wie endlos lange Schachtelsätze deine Leser in tiefen Dornröschenschlaf versetzen

Kennst du diese langen Schachtelsätze, die aus Dutzenden von Kommas bestehen und die eine Konjunktion an die andere hängen, während sie kleine, feine Unwichtigkeiten erwähnen, um Emotionen und Leben in das Gesagte zu bringen, aber auch mal Subjunktionen verwenden, um Abwechslung zu bieten, wobei jeder Leser schon nach der Hälfte des Satzes, der über endlos viele Zeilen geht, ausgestiegen ist, obwohl er doch vor Information und Wissen nur so strotzt, jedoch keine Luft zum Atmen lässt, da noch ein Einschub folgt und noch ein Schnörkel eingefügt wird und noch ein wichtiger Hinweis unbedingt erwähnt werden muss. Bist du noch wach? Scheiße, was war das denn?! Mal ganz ehrlich:

Sowas können wir unseren Lesern doch nicht antun!

Du schreibst ja auch. Und du schreibst bestimmt viel. Jetzt frag dich doch mal, wie oft du einen Punkt setzt. Und wie oft du minutenlang an komplizierten Geflechten werkelst, bis du am Ende selbst nicht mehr durchblickst. Sei ganz ehrlich zu dir. Lange Schachtelsätze geben dir doch einen Kick. Ich kenne das. Du bist nicht allein. Aber du solltest dich eines fragen:

Schreibst du für das Literaturnobelpreiskomitee oder schreibst du für deine Leser?

Deine Leser, die regelmäßig bei dir vorbei schauen, weil sie wissen, dass du ihre Probleme löst und ihnen im Leben oft weiterhilfst. Sie kommen regelmäßig auf deine Seite, weil du ihnen Mehrwert lieferst. Sie wissen, dass du schreiben kannst. Dass du erklären kannst. Dass sie wertvollen Input von dir bekommen. Du musst ihnen nicht mit haarsträubenden Konstruktionen beweisen, dass aus dir ein zweiter Kleist oder Mann werden könnte.

Auf Dauer jedenfalls wirst du deine Leser mit langen Schachtelsätzen vergraulen, weil sie deinen Beitrag nicht mal schnell im Bus oder auf der Toilette lesen können, da er ihnen zu viel Zeit und Konzentration abverlangt. Du schreibst für ein Publikum, das dich für dein Wissen liebt, für den Inhalt, den du lieferst. Und nicht für deine prosaischen Fähigkeiten. Hab ich recht? Danke übrigens, dass du nach diesem grausamen Satz im ersten Absatz noch dabei bist. Ich tu es dir nie wieder an, versprochen. Denn du bist mein Leser. Du sollst mich verstehen und niemand sonst. Oslo ist mir egal.

Verständlichkeit ist das A und O

Du hast bestimmt schon einmal davon gehört, deinen Text gut leserlich zu gestalten. Dass du Absätze machen musst und zwischendrin Unterüberschriften deine Leser durch deinen Text führen. Aber deine fünfzeiligen Absätze sollen nicht aus einem einzelnen Satz bestehen, da hast du wohl etwas missverstanden. Mache die Sätze kurz. Setze Punkte. Schachtelsätze lassen jeden Leser gedanklich aussteigen. Und im schlimmsten Fall ist er auch mit deiner Seite durch und kehrt nie wieder. Dein Content mag noch so genial sein, aber wenn der Text deine Leser irgendwo auf dem Weg verliert, ist er wertlos.

Einfach und verständlich zu schreiben ist manchmal gar nicht so einfach, wenn man mal seine Liebe zu Schachtelsätzen entdeckt hat. Doch es gibt einige Tricks, wie du scheinbar Unentwirrbares in leicht verdauliche Kost verwandeln und einen langen Satz ausgleichen kannst.

Mache dich Schritt für Schritt an die Kürzung wahnwitziger Schachtelsätze

1. Streiche unwichtige Wörter
Wenn du einen langen Satz vorerst nicht zerstückeln willst, dann suche nach Wörtern, die du streichen kannst. Beispielsweise kannst du gut auf Funktionsverben verzichten: anstatt „eine Beratung durchzuführen“ kann man einfach „beraten“. Sätze, in denen du Hilfsverben verwendest, kannst du einfach umschreiben, um Wörter zu sparen. Also alles, das „möchten, mögen, wollen, können, sollen“ enthält, formulierst du statt „Ich möchte dir heute anbieten“ so: „Ich biete dir an“. So ein aktiver Satz spart dir nicht nur ein Wort, sondern hat auch psychologisch eine ganz andere Wirkung als Passiv-Konstruktionen. Auch an Adjektiven kannst du sparen, wenn es nicht von Bedeutung ist, ob es ein schöner, ein heißer, ein brennend heißer oder ein lauer Sommertag war.

2. Suche nach den Kerngedanken des Textes
Liste dir die Hauptaussagen auf, die du mit dem Text vermitteln willst, und überprüfe, ob sie in einem Hauptsatz stehen. Die wichtigsten Gedanken zu einem Thema sollten immer in einem Hauptsatz stehen. Ohne Nebensatz. Ohne Einwürfe. In langen, verworrenen Schachtelsätzen gehen sie unter und die Leser müssen den Satz zuerst mühsam auseinanderpuzzlen. Du hast die Nadel sicher auch lieber auf einem Silbertablett liegen als mitten im Heuhaufen.

3. Zerlege den Satz in seine einzelnen Aussagen
Frage dich immer, ob man deinen mühsam produzierten Satz direkt beim ersten Lesen versteht. Wenn selbst du den Satz zwei- oder dreimal lesen musst, dann kann da was nicht stimmen. Dann ist der Satz wahrscheinlich zu lang. Oder du hast zu viele Fachbegriffe verwendet, aber das ist ein anderes Thema. Zerlege solch einen Satz in seine einzelnen Aussagen. Und dann vergleiche beide Varianten: den endlosen Thomas-Mann-Satz, der eine ganze DIN A4 Seite füllen würde und die einzelnen Aussagen, durch Punkte voneinander getrennt. Welche Form ist besser verständlich? Welche liest sich einfach? Welche liest sich schneller? Welche muss man nur einmal durchlesen, um alle Inhalte mitzunehmen? Die einladendere, unanstrengendere wählst du aus.

4. Hab keine Angst davor, einen Punkt zu setzen
In der Schule haben uns Lehrer neben den Aufsatz ein großes, rotes A gekritzelt, wenn sie mit unserem Ausdruck nicht zufrieden waren. Hauptsatz. Hauptsatz. Hauptsatz. Eine Aneinanderreihung hat ihnen so gar nicht gefallen. Diese Kritik ist tief in uns verankert. Wir müssen diese Angst ablegen. Kein Leser wird uns kritisieren. Im Gegenteil. Sie werden es uns danken, indem sie unsere Texte bis zum Ende lesen und immer wieder zu uns zurück kommen. Du sollst jetzt natürlich nicht nur noch Hauptsatz an Hauptsatz hängen. Sensibilisiere dich für lange Sätze und setze sie gekonnt und an der passenden Stelle ein.

5. Schicke Dornröschen einen Prinzen
Ein Text lebt von Überraschungen und plötzlichen Wendungen. Arbeite mit Kontrasten und schreibe direkt nach einem langen Satz einen ganz kurzen. Oder zwei. Und dann erst wieder einen, der einen Nebensatz enthält. Du musst also gar nicht auf lange Sätze verzichten, sondern kannst mit der Variation spielen und deine Leser so bei Laune halten – und vor allem wach. So ein knackiger Kuss Satz nach einem langen oder zähen Teil weckt den Leser auf, bevor er ins Traumland abdriftet und du ihn verlierst. Als Stilelement beleben sie den Text, das kannst du zu deinem Vorteil nutzen.

6. Mach den Luft-anhalten-Test
Wenn du dir unsicher bist, ob dein Satz viel zu lang ist oder ob er so stehen bleiben kann, dann mach folgenden Test: Atme ein und lies den Satz laut vor. Du darfst erst wieder atmen, wenn du am Punkt angelangt bist. Den Satz vom Anfang schaffe ich nicht, ohne Luft zu holen oder blau anzulaufen. Und wenn du ihn schaffst, dann hast du eine Lunge wie Lance Armstrong, aber darfst solche Sätze trotzdem nicht auf deine Leser loslassen. Dieser Test ist natürlich nur ein kleiner Spaß, aber irgendwo ist da auch tatsächlich was dran.

Schnapp dir doch am besten jetzt sofort einen älteren Text von dir, durchsuche ihn nach einem sehr langen Satz und verwandle ihn in einen leicht verständlichen kurzen Absatz, indem du die Tipps anwendest.

Wie stehst du zu langen Sätzen? Wo ist die Grenze und was geht noch durch?
Diskutiere mit uns!

SpellingGeek

Rechtschreibstreberin, Kommaverfechterin, Anamnesebogen-beim-Arzt-Verbesserer, Über-Fehler-in-Speisekarten-Stolperer. Ich liebe es, tollen Autoren wie Dir zu helfen, ihre Texte noch brillanter und individueller zu gestalten ... und vor allem fehlerfrei.

Comments 10

  1. Hallo Céline,
    das ist ein sehr wertvoller Artikel. Ich habe mich schon oft dabei ertappt, Schachtelsätze an Schachtelsätze zu hängen. Mit dem Erfolg, danach alles wieder vereinfachen zu müssen. Ich versuche mittlerweile, die Sätze direkt beim Schreiben kürzer und knackiger zu formulieren, das spart am Ende eine Menge Arbeit. Inhaltlich (als Insider meines Themas) finde ich es wohl oft Schade, den Satz einkürzen zu müssen, Füllworte verlängern das Thema ja eigentlich auch wieder.

    1. Danke, Michaela, für einen Einblick in deine Vorgehensweise. Es ist sicherlich zeitsparender, wenn man direkt beim Schreiben darauf achtet und dass du das kannst, zeigt, dass du dir durchaus bewusst bist, wie oft du tatsächlich zu lange Sätze baust. Das ist wichtig! Oftmals ist man so im Schreibfluss, dass man das Schlamassel aber erst am Ende sieht. Da ist es dann wichtig zu erkennen, was bleiben kann und wann wir es übertrieben haben 🙂

  2. Hallo Céline,
    du hast eine schöne Art zu schreiben. Bin gedanklich bis zum Ende in deinem Artikel gewesen. Die Stelle mit dem Kuss hat mir gut gefallen 😉 Ich zähle mich seit kurzem auch zu den Bloggern und suche natürlich immer andere Blogger, die so schreiben wie ich denke. Wie du lese ich viel und lerne gerne Neues. Mittlerweile habe ich schon Strategien gefunden, wie ich Schreibblockaden begegnen kann. Wobei ich es eher „leerer Kopf“ nenne, weil das Phänomen nie lange anhält.
    Ich muss gestehen, dass ich seinerzeit in meinen Aufsätzen nie viel besser als ausreichend war – das sagten zumindest meine Lehrer 😀 Ich für meinen Teil liebe kurze prägnante Sätze, ertappe mich aber auch oft genug beim verschachteln.
    Danke für deinen Post 🙂

    1. Vielen Dank, Stefan, ich freue mich sehr über dein tolles Feedback! Solange du bewusst und kontrolliert verschachtelst und es nicht entartet, ist alles halb so wild, denn eine gesunde Abwechslung macht Texte erst interessant. 😉 Was hast du denn für Strategien gegen einen leeren Kopf?

  3. „Hab keine Angst davor, einen Punkt zu setzen“, diese Angst habe ich erst nach mehreren Jahren Schreiben abgelegt.

    Nach anfänglichen Schwierigkeiten bin ich mittlerweile davon überzeugt, dass jeder mit Übung und den richtigen Anleitungen gut schreiben kann. Mir hat das Buch „Deutsch für junge Profis“ von Wolf Schneider ganz stark weitergeholfen.

    Vielen Dank für die tollen Tipps, die sich so einige Autoren zu Herzen nehmen sollten.

    1. Das denke ich auch, Sebastian. Es ist alles eine Frage der Übung. Und so ein Punkt gibt uns beim Schreiben und danach dem Leser Zeit zum Durchatmen. Danke für dein Feedback und den Buchtipp.

  4. Es wird ja oft empfohlen so zu schreiben, wie man redet. Für diejenigen, die sich immer wieder überwinden müssen, den nächsten Blogartikel zu schreiben, empfehle ich die Nutzung einer Diktier-Software. Einfach reinsprechen und im zweiten Schritt die Fehler korrigieren vor der Veröffentlichung. In Macs ist eine Diktier-Software bereits integriert.

    1. Das ist gar keine blöde Idee, Dirk, danke für den Tipp. Wenn man eine gute Software hat, bei der die Spracherkennung super funktioniert und man sich danach nicht stundenlang über falsch erkannte Wörter ärgern muss, dann ist das ein wirklich hilfreiches Werkzeug bei der Erstellung von Texten.

  5. Hallo Céline,
    dieser Beitrag lässt mich wieder an meine ersten Schritte auf meinem Blog zurückdenken. Ich habe kürzlich genau das getan, was du hier vorschlägst. Beim erneuten Lesen älterer Artikel dachte ich mir immer wieder mal „Ach herrje…“ Wenn man so im Fluss ist und seinen Lesern so viel mitteilen möchte, kommt es im Eifer des Gefechts manchmal zu unnötig langen Sätzen. 😉 Daher vielen Dank für deinen Beitrag, der mir dieses Problem wieder mal ins Gedächtnis ruft. 🙂
    Viele Grüße
    Wolfgang

    1. Ich glaube, dass das viele andere Blogger auch kennen. Oft hört man, dass Blogger die allerersten Texte früher oder später von der Seite löschen, weil sie sie einfach unvertretbar und als Verletzung des Leser-Auges ansehen. Sie sind aber eigentlich ein tolles Zeitzeugnis und geben Einblick in unsere Entwicklung. Lies dir deine alten Artikel ruhig öfter durch, Wolfgang, und klopf dir auf die Schulter für den Prozess, den du durchlaufen hast.

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